Video: Podiumsdiskussion

Quo vadis, Belarus? Repression, Stagnation, Aufbruch

09.06.2021

Eine Online-Veranstaltung von dekoder in Kooperation mit dem Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS)

Seit Sommer 2020 protestieren die Belarus*innen für faire und freie Wahlen und ihre Grundrechte. Es ist innerhalb kürzester Zeit eine Selbstermächtigungsbewegung von historischem Ausmaß entstanden, die Mitsprache und Mitbestimmung einfordert und einen tiefgreifenden Wandlungsprozess in Gang gesetzt hat. Noch immer versucht der autokratische Machtapparat Alexander Lukaschenkas diesen Wandel mit Repressionen, Gewalt und schärferen Gesetzen zu stoppen. Medien und Journalist*innen, die über die Vorgänge in ihrem Land berichten, sind zum Ziel staatlicher Willkür geworden. Bis heute kommt es fast täglich zu Festnahmen und Gerichtsurteilen. Über 35.000 Menschen wurden seit Sommer 2020 inhaftiert, über 3000 Strafverfahren eingeleitet. Aktuell gibt es in Belarus über 350 politische Gefangene in den Gefängnissen. Das Land befindet sich in einer schweren Krise, über die internationale Medien nur noch vereinzelt berichten.

In unserem Zoom-Gespräch wollten wir etwas Licht in die aktuelle Situation in Belarus bringen, und zwar mit unterschiedlichen thematischen Blickwinkeln und Fragestellungen: Inwieweit kann man bereits von einem Wandel einer „civic society“ sprechen? Kann der Lukaschenka-Staat sein Überleben langfristig allein mit Repressionen und Gewalt sichern, ohne eine gesellschaftspolitische Lösung anzubieten? Werden unabhängige Journalist*innen künftig überhaupt noch ihrer Arbeit nachgehen können? Was passiert aktuell in der Kultur- und Kunstszene, die in den vergangenen 20 Jahren quirlige und lebendige Nischen der Freiheit besetzen und erweitern konnte? Wie geht es den Menschen?

Teilnehmende

Ingo Petz (Moderation) ist Journalist und bei dekoder für Belarus zuständig. Nach dem Studium der Osteuropäischen Geschichte und Slawistik in Köln und Wolgograd (Russland) volontierte er bei der Kölnischen Rundschau. 2002 berichtete er zwei Jahre lang für deutsche Medien aus Neuseeland. 2004 war er Stipendiat des Marion-Gräfin-Dönhoff-Programmes in Baku, Aserbaidschan. Neben seiner Arbeit als Journalist hat er Konzerte und Lesungen für belarussische Musiker und Schriftsteller organisiert. Ingo Petz beschäftigt sich mit Belarus seit mehr als 20 Jahren.

Julia Langbein leitet seit Januar 2020 den Forschungsschwerpunkt „Politische Ökonomie und Integration“ am ZOiS. Sie studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, absolvierte einen Master in Russian Studies an der Europäischen Universität in St. Petersburg und promovierte am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. In ihrer Forschung beschäftigt sich Julia Langbein unter anderem mit dem Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Integration und politischer und ökonomischer Entwicklung in Osteuropa. Aktuell untersucht sie zusammen mit Félix Krawatzek vom ZOiS, wie sich die Einstellungen der Belarus*innen zu Demokratie und dem Verhältnis zwischen Staat und Markt in den letzten zehn Jahren verändert haben.

Jakob Wöllenstein studierte Politikwissenschaft, Theologie und European Studies an den Universitäten Marburg, Krakau und Leipzig. Von 2015 bis 2019 war er Referent bei der Konrad-Adenauer-Stiftung Berlin (als Länderreferent Ost- und Mitteleuropa und in der Strategieabteilung). Seit Februar 2019 ist er der Leiter des KAS-Auslandsbüro Belarus im Litauischen Vilnius. In Bezug auf Belarus beschäftigt sich Jakob Wöllenstein vor allem mit der Außen-, Sicherheits- und Innenpolitik.

Iryna Herasimovich ist als freie Übersetzerin, Kulturmanagerin und Essayistin in Minsk tätig. Sie übersetzte ins Belarusisch unter anderem Werke von Ilma Rakusa, Brigitte Schär, Monika Rinck, Ingrid Lausund, Dea Loher, Jonas Lüscher, Michael Kumpfmüller, Nora Gomringer, Lukas Bärfuss und anderen deutschsprachigen Autorinnen und Autoren. Als Kulturmanagerin konzipiert und veranstaltet sie Projekte in den Bereichen Theater, Literatur und Bildende Kunst. In den Jahren 2018 und 2019 war sie Co-Kuratorin des III. und IV. Internationalen Literaturforums im Künstlerdorf Kaptaruny. Im November 2020 erschien im Sammelband „Belarus! Das weibliche Gesicht der Revolution“ ihr Essay „Die Kraft des Unwissens“ (edition.fotoTAPETA).