Ein Videoglossar der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und des ZOiS

Was man über die Ukraine wissen sollte

Am 24. Februar 2022 begann Russland mit der Invasion der Ukraine. Seit einem Jahr verteidigt sich das Land gegen den großflächigen russischen Angriffskrieg. In einer 13-teiligen Videoreihe erklären Expert*innen aus der Wissenschaft, was man unbedingt wissen sollte, um die heutige Ukraine zu verstehen. Warum sind historische Ereignisse wie Tschernobyl, der Holodomor oder die deutsche Besatzung so wichtig? Was hat es mit Zivilgesellschaft oder Kultur zu tun, wenn die ukrainische Gesellschaft zusammenhält und Widerstand leistet? Wie spiegelt sich in den Sprachen und dem Regionalbewusstsein die historische Vielfalt der Ukraine? Wie hängen der Maidan, die Annexion der Krim und der Krieg im Donbas zusammen? Welche Rolle spielten die Oligarchen? Und was bedeutet es eigentlich, unter russischer Besatzung zu leben? Nach dem Auftakt der Reihe am 24. Februar 2023 werden sukzessive weitere Videos veröffentlicht.

Mit Steffen Halling; Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen; Guido Hausmann; Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) / Universität Regensburg; Wilfried Jilge; Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF); Bozhena Kozakevych; Europa-Universität Viadrina; Gwendolyn Sasse; Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) / Humboldt- Universität zur Berlin; Tatjana Tönsmeyer; Bergische Universität Wuppertal; Anna Veronika Wendland; Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung; Monika Wingender; Justus-Liebig-Universität Gießen; Susann Worschech; Viadrina Institute for European Studies (IFES) und Tatiana Zhurzhenko; Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS)

Regionen

Anna Veronika Wendland

Die Ukraine ist ein Zentralstaat, der wiederum in 24 Oblasti (Gebiete) sowie die Autonome Republik Krim untergliedert ist. Neben der administrativen Gliederung sind historische und naturräumliche Großräume für die Ukrainer*innen sehr wichtig. Die ukrainischen Regionen sind vielgestaltig, von den Bergregionen im Westen bis zur Steppe und den Schwarzerdegebieten im Osten, von den Wald- und Sumpfgebieten im Norden bis zu den Industrierevieren und zur Schwarzmeerküste im Osten und Süden. Ukrainische Regionaltraditionen gehen zum Teil bis auf die mittelalterlichen Fürstentümer der Kyjiwer Rus' zurück. Die langjährigen Zugehörigkeiten zu unterschiedlichen Herrschaftsverbänden, aber auch die historische Bedeutung von bestimmten Regionen für die Gesamtgeschichte haben das Regionalbewusstsein der Ukrainer*innen geprägt.

Krim

Gwendolyn Sasse

Die Halbinsel Krim kam 1954 zur Ukrainischen Sowjetrepublik. Im Referendum von 1991 stimmte auch hier eine Mehrheit für die Unabhängigkeit in den Grenzen der Ukraine, die schließlich international anerkannt wurde – auch durch Russland. Die Krim bekam einen begrenzten Autonomiestatus und wurde politisch ein fester Bestandteil des Südostens der Ukraine. Zwar bezeichnet sich eine Mehrheit der Krim-Bevölkerung von der Herkunft her als „russisch“, eine separatistische Bewegung gab es unmittelbar vor 2014 jedoch nicht. Die völkerrechtswidrige Annexion war Moskaus Reaktion auf den Euromaidan 2013/2014. Begründet wird der russische Anspruch auf die Krim mit einer selektiven historischen Erinnerung, die beispielsweise die jahrhundertelange Herrschaft des Krim-Khanats, aber auch die Völkervielfalt auf der Krim ausblendet.

Tschernobyl

Anna Veronika Wendland

Im Jahr 1977 ging der erste Block des Kernkraftwerks von Tschernobyl ans Netz. Als Zentrum der sowjetischen Atomindustrie sollte es den anwachsenden Strombedarf der Sowjetukraine sichern. Doch 1986 ereignete sich dort der bislang schwerste zivile Atomreaktorunfall. Dadurch wurde Tschernobyl zu einem wichtigen Erinnerungsort der ukrainischen Leidensgeschichte im 20. Jahrhundert. Vielen Ukrainer*innen gilt das Ereignis als Katalysator für das Ende der Sowjetunion und einen Neubeginn in der unabhängigen Ukraine. Obwohl viele Menschen an den Folgen der Katastrophe starben, hat die Atomkraft für die Ukraine bis heute eine sehr große Bedeutung. Über 50% des produzierten Stroms werden durch Atomkraft erzeugt.