Expert*innenstimme

Russische Militärmanöver an den zentralasiatischen Grenzen zu Afghanistan

Von Beate Eschment 26.07.2021

Nach dem Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan dehnen die Taliban ihren Machtbereich in den Norden des Landes aus. Die angrenzenden Staaten Zentralasiens sehen sich in ihrer Sicherheit bedroht. Für Anfang August planen Tadschikistan und Usbekistan gemeinsam mit Russland Militärübungen an ihren Grenzen zu Afghanistan. Zentralasien-Expertin Beate Eschment ordnet die Lage für uns ein.

Welche Rolle spielt Afghanistan in Zentralasien?

Man muss unterscheiden zwischen Afghanistan und seinen Menschen, mit dem seit Jahrhunderten kulturelle, ethnische und ökonomische Gemeinsamkeiten bestehen, und Afghanistan als Sicherheitsproblem. Die letztere Wahrnehmung überwiegt derzeit, nicht nur bei den Regierungen der drei Anliegerstaaten Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan, sondern in ganz Zentralasien. Der tadschikische Präsident Emomali Rachmon hat im Mai Afghanistan als wichtigstes Problem Zentralasiens bezeichnet. Die Angst dabei ist nicht, dass die Taliban territorial weiter nach Norden vordringen könnten, sondern dass Islamismus und Terrorismus nach Zentralasien schwappen.

Wie ist die Sicherheitslage an der Grenze zwischen Afghanistan und den zentralasiatischen Staaten?

Die Lage ist angespannt, aber ruhig. Die Taliban haben so gut wie alle an die zentralasiatischen Staaten grenzenden Provinzen unter ihre Kontrolle gebracht, aber die Grenzen nicht überschritten. Aus Tadschikistan wird berichtet, dass sogar der Grenzhandel weiterläuft. Die aktuelle Herausforderung vor Ort besteht darin, dass afghanische Regierungssoldaten und Zivilist*innen zu Tausenden versuchen, sich in Tadschikistan und Usbekistan in Sicherheit zu bringen. Alle drei Anliegerstaaten versuchen, Stärke zu demonstrieren: Sie haben Truppen und militärisches Gerät in Grenznähe zusammengezogen und in Tadschikistan fand in der letzten Woche die größte Militärübung in der Geschichte des Landes statt.

Russland selbst hat keine gemeinsame Grenze mit Afghanistan. Warum engagiert es sich dennoch mit solchen Manövern?

In Russland betrachtet man den Süden der ehemaligen Sowjetunion als eigenen, potentiell von Instabilität und Islamismus bedrohten Einflussbereich. Das russische militärische, aber auch politische Engagement im Zusammenhang mit der veränderten Lage in Afghanistan dient daher dazu, sich in Zentralasien als Garant von Frieden und Stabilität zu positionieren. Aus russischer Perspektive sind die Manöver zugleich ein Beitrag zur inneren Sicherheit im eigenen Land, denn man fürchtet, dass der Islamismus von Afghanistan über Zentralasien in die muslimischen Gebiete der Russischen Föderation vordringen könnte.

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