Call for Papers

Jüdinnen und Juden entlang der Seidenstraße

05.02.2021

Call for Papers | Tagung 10.-12. Oktober 2021

"Peace to the World" by Adam Baker is licensed under CC BY 2.0 | https://flic.kr/p/qgK

Internationale Tagung der W. Michael Blumenthal Akademie des Jüdischen Museums Berlin in Kooperation mit dem Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS, Berlin) und dem Viadrina Center B/ORDERS IN MOTION der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder)

Wie leben Jüdinnen und Juden zwischen Baku und Berlin, zwischen Taschkent und Teheran, Duschanbe und Tel Aviv? Wie prägten ihre Erfahrungen des Zusammenlebens mit muslimischen, christlichen und säkularisierten Mehrheits- und Minderheitsbevölkerungen jüdische Biographien und Identitäten während und nach der Sowjetzeit? Welche Alltagsgegenstände, ästhetische Traditionen oder  gegenwärtige kulinarische Praktiken erzählen uns von jüdischem Leben in Zentralasien und im Kaukasus – entlang der Routen der historischen und neuen Seidenstraße?

Eine Mehrheit der heute in Deutschland und Europa lebenden Jüdinnen und Juden kommt aus Gebieten der ehemaligen Sowjetunion. Die meisten migrierten aus europäischen Teilen wie Belarus, die Ukraine oder Russland, einige kamen aber aus den südlichen und östlichen Republiken im Kaukasus und in Zentralasien, die manchmal als „sowjetischer Süden“ bezeichnet werden. Geprägt von imperialen Hierarchien, wurde dieser von den europäischen Zentren als exotisch und rückständig  wahrgenommen. Zugleich entwickelten diverse Bewohner*innen dieser Regionen eigene Ideen der Moderne und als gestalteten  Praktiken des Zusammenlebens und  Kontaktzonen verschiedener Minderheiten.

Im Rahmen der internationalen Tagung möchten wir uns diesen wenig bekannten Geschichten der Flucht, Deportation und Migration zwischen Europa und Asien, den Erfahrungen der Nachbarschaft und religiöser Alltagspraxis (post-)sowjetischer Jüdinnen und Juden aus dem Kaukasus und Zentralasien nähern. Im Fokus stehen soziale und kulturelle Zwischen-Räume, Orte der Begegnungen und Verflechtungen sowie Zwischen-Positionen der Menschen, die als Minderheiten und als Migrant*innen in multi-ethnischen und multireligiösen Gesellschaften leben.

In Zentralasien und im Kaukasus - entlang der Routen der historischen und neuen Seidenstraße, die Europa und Asien über Migrationsgeschichten, ökonomische und politische Verflechtungen und Mythen verbinden - lebten bucharische Jüdinnen und sogenannte Bergjuden seit Jahrhunderten. Auch aus dem ehemaligen Ansiedlungsrayon migrierten Jüdinnen und Juden in die südlichen und östlichen Gebiete des Zarenreiches und der Sowjetunion. Ingenieurinnen, Beamte und Wissenschaftlerinnen kamen im Verlauf des 20 Jahrhunderts nach Zentralasien oder in den Kaukasus. Sie profitierten von den russischen und sowjetischen Expansionspolitiken und suchten zugleich dem Antisemitismus und den beschränkten Aufstiegsmöglichkeiten in Osteuropa zu entkommen. Ihre Biographien erzählen von Flucht und Evakuierung, Überleben und sozialem Aufstieg in den Nischen imperialer, kapitalistischer und sozialistischer Machtpolitiken. Während des Zweiten Weltkrieges flohen oder überlebten viele osteuropäisch jüdische Familien etwa in Usbekistan oder Kirgisien. Ihre Erinnerungen prägen sowjetische Erzählungen der Shoa und der Nachkriegszeit, sind aber noch wenig erforscht.

Wie waren die Geschichten dieses jüdischen Überlebens und sozialen Aufstiegs mit imperialen Politiken des 19. und 20. Jahrhunderts verflochten? Wie sind sie von sowjetischem Orientalismus, Kolonialismus und Rassismus geprägt? Wie verhalten sie sich zu jüdischen Erfahrungen im Iran, in der Türkei, in Marokko oder Indien? Welche Erinnerungen und Erfahrungen des Zusammenlebens im sowjetischen und globalen Süden bringen Migrant*innen nach Deutschland und Europa? Wie ändern diese Geschichten die Erzählungen jüdischen und post-migrantischen Lebens im 21. Jahrhundert in Deutschland und Europa?

Keynote Speakerin: Prof. Dr. Atina Grossmann, the Cooper Union in New York City

Wir begrüßen 20-minütige wissenschaftliche und künstlerische Forschungsbeiträge zu den folgenden Themen:

  • Narrative von Jüdinnen und Juden in den multireligiösen und multiethnischen Gesellschaften des Kaukasus, Zentralasiens und des Mittleren Ostens und ihrem Ankommen in Deutschland und Europa
  • Forschungen zur Transformation kultureller und religiöser Praxen, sozialen und räumlichen Mobilitäten von Jüdinnen und Juden in Zentralasien und im Kaukasus
  • Analyse der Privilegien sowie Erfahrungen von Ausschluss und Verfolgung
  • Erinnerungs- und repräsentationspolitische Fragen zu Minderheiten innerhalb von Minderheiten
  • Gegenläufige Erinnerungskulturen in jüdischen Biografien

Bitte senden Sie Ihre Abstracts (zwischen 250 und 300 Wörtern)  sowie eine Kurzbio an: akademieprogramme(at)jmberlin(dot)de bis zum 15. März 2021. Die Entscheidung über die Annahme der Beiträge erfolgt bis spätestens 1. Mai 2021. Die ausgewählten Referent*innen werden gebeten, ihre ausformulierten Vorträge bis zum 15. August zu schicken. Die Reise- und Unterkunftskosten der Referent*innen werden gemäß den entsprechenden Richtlinien der Veranstaltungsorganisationen übernommen.

Die Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch (mit Simultanübersetzung).

WEITERE INFORMATIONEN

Organisatorinnen

  • Dr. Alina Gromova (Jüdisches Museum Berlin)
  • Dr. Darja Klingenberg (Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
  • Dr. Tsypylma Darieva (Zentrum für Osteuropa-  und internationale Studien, ZOiS Berlin)