Pressemitteilung

Proteste gegen „Mathilde“ im Namen der Orthodoxie

24.10.2017
Filmstill aus "Mathilde" (2017). © Kinostar Filmverleih GmbH

„Die erhitzten Diskussionen um ‚Mathilde‘ illustrieren, wie in den vergangenen Jahren mit politischer und kirchlicher Unterstützung eine Kultur des Gekränktseins und der Denunziation entstanden ist, deren gewalttätige Auswüchse nun schwer zu kontrollieren sind“, erklärt Regina Elsner, Wissenschaftlerin am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS). Die Form des Protests ist dabei nicht neu und wird geduldet, wenn es etwa der homophoben Politik entspricht. Nun wendet sich der religiöse Unmut jedoch gegen einen staatlich unterstützten Film. Die in den vergangenen Jahren verschärften Gesetzgebungen zum Schutz religiöser Gefühle und gegen Extremismus haben gesellschaftlich das Bewusstsein verankert, dass jedes Mittel recht ist, um Volk und Vaterland gegen angeblich destruktive Kräfte zu schützen. Der Staat verurteilt formal Gewaltakte, fördert aber gleichzeitig ein Gefühl der Straflosigkeit, wenn man sich denn nur aufrichtig für den Schutz Russlands einsetzt.
Eine gewaltsame Verteidigung orthodoxer Werte ist nicht im Sinne der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) und stellt diese vor beträchtliche innerkirchliche Probleme. „Bisher ist eine radikale fundamentalistische Orthodoxie ein Randphänomen in der Kirche, auch die monarchistisch gesinnten Gruppen sind kein kirchlicher Mainstream. Die Kirchenleitung hat sich mehrfach gegen gewaltsamen Protest ausgesprochen, den Film selbst jedoch als gotteslästerlich beschrieben und gefordert, die Bedenken der Bevölkerung ernst zu nehmen“, so Elsner. Nach zwei Jahrzehnten der gezielten Unterstützung traditionalistischer Überzeugungen und angesichts ihrer mangelnden Geschichtsaufarbeitung fehlen der Kirchenleitung die Instrumente, sich nun klar von den radikalen Kräften zu distanzieren.

Expertin:
Dr. Regina Elsner ist Theologin und forscht am ZOiS zu Dynamiken der russisch-orthodoxen Sozialethik seit dem Ende der Sowjetunion und steht für Interviews zur Verfügung. Sie erreichen sie über die Pressestelle des ZOiS: +49 (30) 2005949-20, presse(at)zois-berlin(dot)de.

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