Expert*innenstimme

Nawalnys Hungerstreik und angekündigte Proteste in Russland

Von Tatiana Golova 20.04.2021

Der bekannte russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny befindet sich seit mehreren Wochen im Hungerstreik. Sein Gesundheitszustand in einer als besonders hart geltenden Strafkolonie gilt als kritisch. Kürzlich wurde er in ein örtliches Krankenhaus des Maßregelvollzugs verlegt, wo ebenfalls keine adäquate medizinische Hilfe zu erwarten ist. Seine Unterstützer*innen haben für den 21. April 2021 zu landesweiten Aktionen aufgerufen. Soziologin Tatiana Golova (ZOiS) forscht zu Protesten in Russland und liefert eine kurze Einordnung.

Welches Ziel verfolgt Alexej Nawalny mit seinem Hungerstreik?

Medizinische Versorgung von Insass*innen russischer Strafkolonien ist miserabel. Da Nawalny ernste gesundheitliche Beschwerden hatte, verlangte er schon im März qualifizierte medizinische Hilfe und die Zulassung unabhängiger Ärzt*innen. Nachdem ihm dies konsequent verweigert wurde, hat er zum drastischen Mittel des Hungerstreiks gegriffen. Dies mag paradox klingen, aber sein Körper ist buchstäblich das letzte Kampfmittel, das ihm noch bleibt.

Was sagen uns die für den 21. April geplanten Aktionen über den aktuellen Zustand der russischen Opposition?

Die Aktionen für die Freilassung Nawalnys und den politischen Wandel sollten ursprünglich erst stattfinden, sobald sich 500.000 Menschen russlandweit dafür auf der Webseite free.navalny.com angemeldet haben – nur massive Straßenproteste, so die Organisator*innen, können den Kreml beeindrucken. Wegen Nawalnys Gesundheitszustands soll jetzt nicht mehr gewartet werden. Die Straße als politischer Raum gewinnt umso mehr an Bedeutung, als andere (vor)politische Räume in Russland zunehmend für unabhängige Stimmen verschlossen werden. Die Erfahrung mit den letzten großen Protesten zeigt allerdings, dass massive staatliche Repressionen während und nach den Aktionen zu erwarten sind.

Wie wirken sich sogenannte Anti-Extremismus- und Foreign-Agents-Gesetze auf die Arbeit der Opposition in Russland aus?

Nawalnys Anti-Corruption-Foundation (FBK) steht schon länger auf der Liste der „foreign agents“, was ihre öffentliche und organisatorische Arbeit wesentlich erschwert. Jetzt sollen FBK und andere Organisationen, die mit Nawalny in Verbindung stehen, als extremistisch eingestuft und verboten werden. Mit Nawalnys „Kampagnenstäben“ wird ein handlungsfähiges oppositionelles Netzwerk zerschlagen und neue Gelegenheiten für strafrechtliche Verfolgung von Aktivist*nnen geschaffen. So wie Nawalny selbst, sollen seine Weggefährt*innen und Unterstützer*innen aus dem Weg geräumt werden.

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