Expert*innenstimme

Verfassungskrise in Moldau

Von Nadja Douglas 06.05.2021

Das Verfassungsgericht der Republik Moldau hat am 28. April den Ausnahmezustand zur Bekämpfung der Pandemie aufgehoben und so die von Präsidentin Maia Sandu geplanten vorzeitigen Parlamentswahlen am 11. Juli ermöglicht. Politikwissenschaftlerin Nadja Douglas ordnet die aktuelle Situation im Land für uns ein.

Im Vorfeld der Entscheidung des Verfassungsgerichts hatte die Abwahl der Verfassungsgerichtspräsidentin Dominica Manole durch das Parlament international für Empörung gesorgt. Was sagen uns die aktuellen Ereignisse über den politischen Zustand des Landes?

Die Verfassungskrise ist noch lange nicht ausgestanden, denn es ziehen sich tiefe ideologische und kulturelle Gräben und gegenseitiges Misstrauen durch die staatlichen Institutionen und die gesamte moldauische Gesellschaft. Da die derzeitige Verfassungsgerichtspräsidentin Manole nach Amtsantritt Sandus ernannt wurde, wird ihr unterstellt im Sinne der proeuropäischen Kräfte zu entscheiden, daher auch die verfassungswidrigen Angriffe auf das Gericht mit dem Ziel der Absetzung Manoles. Richtig ist, dass auch die sozialistische Partei (PSRM) zuvor mit Vladimir Țurcan, dem Vorgänger Manoles, versuchten, die Rechtsprechung des Gerichtes mitzubestimmen. Eine gewachsene Demokratie kann solche Spannungen durch Aushandlungsprozesse und die Fähigkeit zu Kompromissen aushalten; in Moldau ist die Bereitschaft dazu auf keiner Seite zu erkennen. Das wirkt nicht gerade einend auf die nicht nur geopolitisch, sondern auch in ihren Wertvorstellungen heterogene und gespaltene Bevölkerung des Landes.

Wie ist das Verhältnis zwischen Parlament und Präsidentin in Moldau?

Das von der PSRM dominierte Parlament stellt sich systematisch gegen die ehemalige Vorsitzende der PAS-Partei und heutige Präsidentin Maia Sandu, die als proeuropäisch und wirtschaftsliberal angesehen wird. Der vom Parlament beschlossene Ausnahmezustand aufgrund der Covid-19-Pandemie diente einzig dem Zweck, Neuwahlen vorerst zu verhindern, was das Verfassungsgericht überzeugend nachgewiesen hat. Auch die in den Tagen zuvor veröffentlichten Verfassungsgerichtsentscheidungen revidierten Versuche des Parlaments, Sandu verschiedene Kompetenzen zu entziehen. Dies erinnert stark an 2016, als das damals von der Demokratischen Partei dominierte Parlament dem neugewählten Präsidenten Igor Dodon auf ähnliche Weise Kompetenzen entzog.

Welches Ziel verfolgt Präsidentin Sandu mit den vorgezogenen Neuwahlen?

­Sandu wollte von Beginn ihrer Präsidentschaft an einen demokratisch legitimierten Neustart erreichen. Zurecht kritisierte sie, dass das derzeitige Parlament seine Legitimation verloren habe und die moldauische Bevölkerung nicht mehr adäquat repräsentiere. Tatsächlich haben korrupte Politiker*innen an Einfluss gewonnen. Auch haben sich diverse Politiker*innen kaufen lassen, wodurch neue Gruppierungen im moldauischen Parlament entstanden sind, die so niemals zur Wahl gestanden haben. Tatsächlich möchte Sandu natürlich eine Mehrheit für ihr eigenes Lager erreichen. Es ist unklar, ob die Neuwahlen letztlich den erhofften Ausweg darstellen, denn der Wahlkampf droht schmutzig und wenig heilsam für das Land zu werden, das durch die Pandemie und die schlechte wirtschaftliche Lage mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat.

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