Sanktionen gegen Russland
Am 18. Juli hat die Europäische Union weitere Sanktionen gegen Russland verabschiedet. Sie zielen vor allem auf den Export von russischem Öl und auf den russischen Finanzsektor ab. Erweitert werden auch die Ausfuhrbeschränkungen und die Sanktionsliste gegen Einzelpersonen. Welche der Maßnahmen aus diesem 18. Sanktionspaket die russische Kriegswirtschaft wirklich treffen können und worauf es bei der Umsetzung ankommt, erklärt ZOiS-Wissenschaftler Sebastian Hoppe.
Wie stark können die Sanktionen die russische (Kriegs-)Wirtschaft treffen?
Das 18. Sanktionspaket der EU wird die russische Kriegswirtschaft nicht unmittelbar zum Stillstand bringen – dafür ist das System mittlerweile zu gut auf ein permanentes Sanktionsumfeld eingestellt. Dennoch enthält das Paket Maßnahmen mit erheblichem Wirkungspotenzial. Besonders bedeutsam ist die Absenkung der Ölpreisobergrenze auf etwa 45 bis 50 Dollar pro Barrel, was die Haupteinnahmequelle des russischen Haushalts unter Druck setzt. Die Ausweitung von SWIFT-Ausschlüssen auf über 100 Banken sowie die Sanktionierung mit Russland kooperierender chinesischer Finanzinstitute erschwert internationale Zahlungsströme nach und aus Russland. Auch das Verbot neuer Dual-Use-Exporte macht sich wirtschaftlich bemerkbar, da es Technologietransfers in sensible Sektoren unterbindet. Die Sanktionen verteuern Importe, verschärfen die Inflation und schwächen die Binnennachfrage. Neu ist der deutlich stärkere Fokus auf Maßnahmen zur Unterbindung von Sanktionsumgehungen – etwa durch Drittstaaten, Kryptowährungen oder Schattenflotten. Für Russland wird es somit zunehmend schwieriger, Schlupflöcher zu nutzen, da Drittstaaten abwägen müssen, ob das Russlandgeschäft die Risiken – etwa einen EU-Marktzugang zu verlieren – noch rechtfertigt. Insgesamt werden die finanziellen Spielräume des Kremls also enger, was die sich derzeit abzeichnende wirtschaftliche Rezession verschärfen dürfte.
In welchem zeitlichen Rahmen können sie spürbar werden?
Die wirtschaftlichen Effekte der neuen Sanktionen dürften in Teilen rasch sichtbar werden. Der Ausschluss weiterer Banken vom SWIFT-System sowie Sanktionen gegen Betreiber der russischen Schattenflotte erhöhen die Transaktionskosten und erschweren logistische Abläufe bereits kurzfristig. Für Russland bedeutet das: Ersatz für sanktionierte Tanker zu finden und neue Zahlungswege zu etablieren, wird teurer und zeitaufwendiger. Auch das verschärfte Verbot von Dual-Use-Gütern trifft russische Schlüsselindustrien unmittelbar, wobei davon auszugehen ist, dass strategisch wichtige Unternehmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Vorräte angelegt haben. Mittel- bis langfristig wird die Wirkung der verschärften Ölpreisdeckelung spürbar werden – insbesondere wenn große Abnehmer wie Indien oder China ihre Importstrategien anpassen. Entscheidend ist, ob diese Staaten sich dem Sanktionsdruck beugen oder weiterhin Preisnachlässe durch Russland nutzen und große Mengen Öl importieren, die den geringeren Preis kompensieren. Mit der Sanktionierung des russischen Direktinvestmentfonds (RDIF) sendet die EU außerdem ein strategisches Signal an potenzielle Investoren auch jenseits des Westens: Russland wird zunehmend von globalen Kapitalflüssen abgeschnitten. Die neuen Maßnahmen greifen also auf mehreren Ebenen an, wobei die Wirkung zeitlich gestaffelt eintreten wird.
Welche europäischen Staaten werden am meisten von den Rückwirkungen der Sanktionen betroffen sein?
Die erwartbaren wirtschaftlichen Rückwirkungen des neuen Sanktionspakets auf Europa fallen unterschiedlich aus. Besonders betroffen sind potenziell Mitgliedstaaten mit einem starken maritimen Sektor wie Griechenland, Malta und Zypern. Sie befürchten Wettbewerbsnachteile gegenüber nicht-europäischen Wettbewerbern, etwa aus den USA oder Japan, insbesondere bei der Kontrolle russischer Ölexporte. Auch Länder wie die Niederlande, Spanien und Rumänien stehen unter Druck, da sie in den vergangenen Jahren große Mengen raffinierten Öls aus Indien importiert haben – häufig aus der teilweise von Rosneft kontrollierten Nayara-Raffinerie, die nun sanktioniert ist. Hinzu kommen kleine, energieabhängige Staaten mit geringem fiskalischem Spielraum wie Ungarn und die Slowakei, die auf russisches Pipelinegas angewiesen sind. Sie hatten im Vorfeld des Sanktionspakets Bedenken geäußert und drohten mit einem Veto. Ihre Verwundbarkeit steigt, sollte Moskau Gegenmaßnahmen ergreifen. Sollte es als Folge des Sanktionspakets zu einem Anstieg des Ölpreises kommen, würden dies hingegen alle EU-Staaten in Form steigender Energie- und schließlich auch Produktkosten zu spüren bekommen. Insgesamt ist jedoch zu erwarten, dass die Lasten des Pakets ungleich verteilt sein werden und die EU und die nationalen Regierungen selektiv betroffene Länder und Sektoren unterstützen muss. Wie stark einzelne Länder betroffen sein werden, hängt letztlich auch davon ab, ob und wie Russland reagiert – wirtschaftlich, politisch oder über informelle Gegenmaßnahmen.