Expert*innenstimme

Freilassungen Oppositioneller aus Belarus

Von Nina Frieß 15.12.2025

Nach Verhandlungen mit den USA und einem Stopp von US-Wirtschaftssanktionen gegen Belarus hat Machthaber Lukaschenka am 13. Dezember 2025 viele politische Gefangene freigelassen, auch prominente Oppositionelle wie Maryja Kalesnikawa und Wiktar Babaryka. Belarus-Expertin Nina Frieß ordnet ein, was die Freilassungen für die belarusische Demokratiebewegung bedeuten.

Wie reagiert die belarusische Gesellschaft auf die Freilassungen Oppositioneller am Wochenende?

Die belarusische Exilgemeinschaft hat zunächst erleichtert und euphorisch auf die jüngste Freilassung 123 teils prominenter politischer Gefangener reagiert. Das Fundraising einer belarusischen Solidaritätsorganisation für die Unterstützung der Freigelassenen sammelte innerhalb von zwei Tagen über 246.000 Euro, das doppelte der ursprünglich veranschlagten Summe. Allerdings gab es nach der ersten Pressekonferenz von Maryja Kalesnikawa, Wiktar Babaryka, und anderen auch Irritationen über deren Aussagen insbesondere zu den Haftbedingungen in belarusischen Gefängnissen und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, in dem Belarus Co-Aggressor ist. 

In Belarus selbst fiel die Freude unter Andersdenkenden verhaltener aus. Die für viele Menschen hoffnungsvollen Nachrichten wurden vor allem über private oder informelle Kanäle geteilt. Die Sicherheitsbehörden haben bereits deutlich gemacht, dass sie entsprechende Aktivitäten beobachten und verfolgen würden. Gleichzeitig begleiteten staatliche Propagandist*innen die Freilassungen in gewohnter Weise mit Diffamierungen und Hetze gegen die Entlassenen sowie gegen die demokratische Exilopposition.

Das deutsche Innenministerium hat angekündigt, Kalesnikawa und Babaryka aufzunehmen. Was können die Freigelassenen, speziell Kalesnikawa, von Deutschland aus tun?

Sie können ihre internationale Bekanntheit nutzen, um die Aufmerksamkeit der deutschen und europäischen Politik wie auch der Öffentlichkeit erneut auf Belarus zu lenken. Dort befinden sich weiterhin über 1.100 Menschen aus politischen Gründen in Haft, und das sind nur jene, die offiziell als politische Gefangene anerkannt sind. Die Repressionen gegen die belarusische Gesellschaft dauern unvermindert an.

Viele der nun Freigelassenen haben ihre ersten öffentlichen Auftritte genutzt, um auf diese Realität hinzuweisen. Kalesnikawas zurückhaltende Schilderung der Haftbedingungen und ihre Betonung positiver Aspekte können sich dabei auch als strategische Vorsicht lesen lassen: als Versuch, Menschen, die in Belarus zurückgeblieben sind, nicht durch allzu deutliche Kritik zusätzlich zu gefährden.

Sind die Freilassungen ein gutes Signal für die weiterhin Inhaftierten? 

Unbedingt. Die Ereignisse zeigen: Freilassungen sind möglich und selbst die prominentesten Gesichter des Kampfes für ein demokratisches Belarus können wieder freikommen. Die Ankündigung des US‑Sondergesandten John Coale, der belarusische Präsident Lukaschenka sei bereit, weitere 1.000 politische Gefangene zu entlassen, nährt die Hoffnung auf eine baldige Fortsetzung dieser Entwicklung.

Gleichzeitig darf dies nicht über den tatsächlichen Zustand in Belarus hinwegtäuschen. Das repressiv geführte Regime hat sich durch diese Freilassungen nicht verändert. Andersdenkende werden nach wie vor systematisch verfolgt, und täglich gibt es neue Verhaftungen. Weder Lukaschenka noch seine ausführenden Organe müssen bislang Rechenschaft über die anhaltenden Repressionen ablegen. Zudem könnten die aufgehobenen US‑Sanktionen gegen den Kaliexport dem Regime künftig dringend benötigte finanzielle Mittel verschaffen, mit denen es seine Herrschaft stabilisieren kann.

Trotz dieser Risiken bleibt die Freilassung ein wichtiges Signal: Sie beweist, dass internationale Druckmittel wirken und dass Fortschritte – wenn auch vorsichtig – möglich sind.

 

Expertin