Expert*innenstimme

Explosionen in Transnistrien

Von Sabine von Löwis 26.04.2022

Mit dem Einzug des Fußballclubs Sheriff Tiraspol in die Champions League ist der De-facto-Staat Transnistrien 2021 bereits ein wenig in den Fokus der europäischen Öffentlichkeit gerückt. Nun wurden aus der von Moldau abtrünnigen Region der Beschuss eines Gebäudes des „Ministeriums für Staatssicherheit“ und Explosionen gemeldet, die zwei Funkmasten beschädigt haben. ZOiS-Wissenschaftlerin Sabine von Löwis erklärt im Kurzinterview die Ausgangslage in dem von Russland unterstützen De-facto-Staat.

Transnistrien, ein De-facto-Staat, der sich von der Republik Moldau, abgespalten hat, wird von Russland unterstützt. Welche Rolle spielt er während des Krieges in der Ukraine?

In Transnistrien sind ca. 1500 russische Soldaten stationiert und es besteht ein umfangreiches Waffendepot. Offiziell sind diese Truppen als Friedenstruppen stationiert und sollen den Waffenstillstand zwischen der separatistischen Republik Transnistrien und der Republik Moldau sichern. Deren Abzug ist aber auch immer wieder Gegenstand im Verhandlungsprozess zwischen Moldau und Transnistrien gewesen. Transnistrien mit der Präsenz russischer Armeeeinheiten wird in der Region entsprechend als Unsicherheitsfaktor wahrgenommen, sowohl von Seiten der Ukraine als auch von Seiten der Republik Moldau. Beide Staaten befürchten, dass die in Tiraspol stationierte russische Armee in den Krieg einbezogen wird. Für die Ukraine befürchtet man einen Angriff auf das ca. 100 km entfernte Odessa. Anders als das russische Militär in Südossetien oder Abchasien, zwei De-facto-Staaten in Georgien, kann Russland jedoch nicht ohne Weiteres auf sein Militär in Transnistrien zugreifen, da keine gemeinsame Grenze zu Russland besteht. In den vergangenen Tagen hat Russland jedoch seine Ziele in der Ukraine scheinbar geändert und gibt nun an, neben einer Festlandsverbindung zur Krim und der vollständigen Einnahme der Oblaste Luhansk und Donetzk auch eine Festlandsverbindung zu Transnistrien zum Ziel zu haben.

Wie hat sich die Führung des De-facto-Staates bisher positioniert?

Die Regierungsbehörden Transnistriens haben sich bisher neutral verhalten, wenn man das in diesem Kontext so beschreiben kann. Sie haben sich bisher nicht unterstützend zum russischen Angriffskrieg geäußert, haben ihn aber auch nicht abgelehnt. Sie haben unter anderem die Rolle des russischen Militärs als Sicherheitsgarant des Status quo zwischen Transnistrien und Moldau hervorgehoben und betonen, dass sie an einem eigenständigen Status bzw. einem Autonomiestatus innerhalb der Republik Moldau interessiert sind. Dieses Verhalten ist bemerkenswert, da auch in Transnistrien in der Vergangenheit erfolgreich ein Referendum über eine Zugehörigkeit zu Russland abgehalten wurde. Entsprechend zeigten sich die transnistrischen Behörden sehr verstört, als die Republik Moldau ähnlich wie die Ukraine und Georgien Anfang März einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft stellte.

Die ukrainische Regierung hat die Explosionen in Tiraspol als Provokationen des russischen Geheimdienstes bezeichnet. Besteht die Gefahr, dass sich der Krieg auch auf die Republik Moldau ausweitet?

Wie vieles in diesem Krieg ist auch das nicht vorherzusehen. Bisher scheint noch nicht klar zu sein, von wem und woher die Explosionen in Tiraspol und heute in einem Dorf im Kreis Grigoriopol ausgelöst wurden. Einerseits erscheint eine Ausdehnung des Krieges auf die Republik Moldau unwahrscheinlich, da die russische Armee mit dem Krieg in der Ukraine weit weniger erfolgreich zu sein scheint als geplant. Gleichwohl wäre Moldau deutlich schlechter auf einen Angriff vorbereitet als die Ukraine. Andererseits würden die neuen Ziele des russischen Militärs, Territorien im Süden der Ukraine einzunehmen und somit eine territoriale Verbindung bis nach Moldau und Transnistrien herzustellen, die geopolitische Situation für Moldau und Transnistrien deutlich verändern.

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