Neue linke Jugend im Südkaukasus: Politische Ideologien, Gerechtigkeitsverständnisse und Intergenerationalität
Neue linke Jugend im Südkaukasus: Politische Ideologien, Gerechtigkeitsverständnisse und Intergenerationalität
in Kooperation mit dem Institut für Kaukasiologie der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena

Projektbeschreibung
Seit Mitte der 2000er Jahre hat sich in den Ländern des Südkaukasus (Armenien, Aserbaidschan und Georgien) eine neue Generation an jungen Linken herausgebildet, die sich durch eine Heterogenität an politischen Ideologien (wie Marxismus, Sozialdemokratie, liberalismuskritischer Feminismus, Anarchismus und antikapitalistischer Ökologismus) und sozialen, politischen und kulturellen Praxen auszeichnet. Den Vertreter*innen der neuen Linke ist gemein, dass sie gegen materielle und immaterielle Ungleichheiten eintreten. Außerdem versuchen sie, durch politischen und subversiven symbolischen Aktivismus, ihre neuen linken Identitäten in die nationalen und internationalen gesellschaftlichen Diskurse und Gesellschaften einzubringen.
Die linke Jugend im Südkaukasus bietet ein Labor ideologischer Vielfalt, wobei die Sowjetvergangenheit und der Bezug zu den Wertewelten älterer Generationen je nach Selbstverständnis der Individuen und Kollektive als ideologischer Anknüpfungs- oder Abgrenzungspunkt fungieren oder teilweise ignoriert werden. Im Kontext von nur wenig oder nicht aufgearbeiteter Vergangenheiten stellt die Frage nach dem Charakter von staatlicher Gewalt während der Sowjetunion und seit dem Ende der Sowjetunion eine zentrale Herausforderung für die Herausbildung linker Positionalitäten und Handlungsspielräume dar.
Anhand ausgewählter Fallbeispiele aus Georgien, Armenien und Aserbaidschan werden in diesem Projekt Ausprägungen ideologischer Selbstpositionierungen verschiedener linker Individuen und Kollektive sowie deren divergierende Gerechtigkeitsverständnisse illustriert und schließlich verglichen. In allen drei Ländern entstehen innerhalb der neuen Linken spezifische normative, ethische und politische Debatten über Vorstellungen von Gesellschaftlichkeit, Gerechtigkeit und Menschenrechte.
Das kumulative Dissertationsprojekt führt insgesamt drei Einzelfallstudien und eine vergleichende Studie durch. Basierend auf dialogischer Epistemologie beschäftigt es sich hierbei mit einer Reihe an unterschiedlichen theoretischen Ansätzen (kritische Theorie, Poststrukturalismus und Postkolonialismus) und Methoden (wie Interviews, Fokusgruppen, Surveys und teilnehmende Beobachtungen). Umrahmt wird das Projekt durch einen konzeptuellen Beitrag zum Thema Jugend und transformative Gerechtigkeit (transformative justice) unter besonderer Beachtung des Aspekts der politischen Ideologien.
Das Dissertationsvorhaben wird durch Dr. Félix Krawatzek (ZOiS) und Prof. Dr. Diana Forker (Institut für Kaukasiologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena) betreut.
Methodik
- Konzeption und Durchführung (halb-)strukturierter Interviews mit linken Jugendlichen und Erwachsenen in Georgien, Armenien und Aserbaidschan und wenige Expert*inneninterviews aus dem Bereich der Wissenschaft, Politik und Kultur/Kunst
- Soziologische Fallstudien und Beobachtungen vor Ort, informelle Gespräche mit Aktivist*innen und Besucher*innen von linken öffentlichen Szenenorten
- (Intergenerationale) Fokusgruppen
- Auswertung eigener sowie von Dritten generierter Umfragedaten
- Qualitative ideologiekritische Auswertung
- Vergleichende Analyse
Kernfragen
- Welche politischen Ideologien kennzeichnen die neue linke Jugend in Georgien, Armenien und Aserbaidschan?
- Welches Gerechtigkeitsverständnis liegt der neuen linken Jugend im Südkaukasus zugrunde?
- Welches Verhältnis haben jugendliche Linke zu den älteren Generationen in Bezug auf politische Ideologie und Gerechtigkeitskonzeptionen?
- Welche Bedeutung hat die Sowjetvergangenheit für die Formierung der politischen Ideologien der jungen Linke?