ZOiS Forum

Aufgeregte Öffentlichkeit: Neue Sprache der Emotionen in Russland

Wo
Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS)
Mohrenstraße 60
10117 Berlin
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Aufgeregte Öffentlichkeit: Neue Sprache der Emotionen in Russland

Wo
Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS)
Mohrenstraße 60
10117 Berlin

Podiumsdiskussion mit Polina Aronson, Gasan Gusejnov, Julia Lerner und Tatiana Golova

Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Russisch statt
*** *****! steht für Njet Wojne! (Nein zum Krieg) und wird von Aktivist*innen Russland für Protestschilder verwendet.

Im Alltag nehmen wir Gefühle als Teil unserer inneren Welt wahr. Allerdings sind Emotionen sozial und historisch bedingt. Noch vor kurzem haben Soziolog*innen, Psycholog*innen, Journalist*innen und Sprachwissenschaftler*innen über einen „therapeutic turn“ im postsowjetischem Raum gesprochen: Auch in Russland etabliert sich eine Kultur, die sich auf das Management subjektiver Emotionen fokussiert, ständige Selbstreflexion verlangt und persönliche Empfindungen als Maß der Dinge behandelt. Im russischsprachigen Raum ist eine neue Sprache herangereift, die Gefühle anhand psychologisierter Begriffe wie „toxisch“, „Ressource“, „Trauma“, oder „Co-Abhängigkeit“ beschreibt. 

Noch kurz vor dem Krieg mit der Ukraine schien diese Sprache sich tief etabliert zu haben. Der Krieg aber hebt die Gefühle hervor, die uns zuvor unbekannt waren, oder lässt uns scheinbar vertraute Gefühle auf neue Weise betrachten. Scham, Hass, Liebe, Angst um sich selbst und um andere, der Wunsch zu helfen – viele russische Bürger*innen teilen diese Erfahrungen heute miteinander in privaten Gesprächen, in sozialen Netzwerken, in öffentlichen Reden. Seit Beginn des Krieges hat sich das Vokabular ihrer Emotionen und die Art und Weise, wie wir sie verstehen, und die Einstellung dazu, was in einer bestimmten Situation angemessen und was unangemessen ist, gewandelt. Welche Rolle spielt die neue Sprache der Emotionen im Krieg - bei seiner Verarbeitung, bei seiner Rechtfertigung? Was ist von ihr übrig? Darüber sprechen wir mit drei Expert*innen.

Teilnehmende

  • Polina Aronson - Soziologin, Publizistin, Autorin des Buches „Liebe: Do It Yourself. Wie wir zu Managern unserer Gefühle wurden“ und Redakteurin des Sammelbandes „Komplexe Gefühle. Sprachbuch neuer Realität: Von Abuse bis Toxizität“. Redakteurin von openDemocracy. Arbeitet mit Colta.ru, Deutsche Welle, Aeon und mit den Bildungsprojekten InLiberty und Neon University zusammen.

  • Gasan Gusejnov - Sprachwissenschaftler, Autor von Büchern über klassische Philologie und russische politische Sprache, Übersetzer, Essayist, Professor an der Freien Universität (Moskau), 2021-2022 - Gastprofessor an der Freien Universität (Berlin), Kolumnist für das internationale französische Radio RFI und Nowaja Gazeta.

  • Julia Lerner - Anthropologin, Dozentin am Institut für Soziologie und Anthropologie der Ben-Gurion-Universität des Negev. Arbeitet im Bereich Wissens- und Migrationsanthropologie. Beschäftigt sich mit interkultureller Forschung zur emotionalen Kultur im privaten und öffentlichen Bereich. Die Autorin des Konzepts des "emotionalen Sozialismus". Publiziert auf Russisch, Englisch und Hebräisch.

  • Moderation: Tatiana Golova - Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien.

Kontakt

Anja Krüger
Kommunikationskoordinatorin
events(at)zois-berlin.de

Die Veranstaltung ist Teil der Reihe ZOiS Forum.

Das ZOiS Forum vereint wissenschaftliche, künstlerische und politische Perspektiven auf Themen, die Osteuropa heute bewegen. Damit wollen wir die Relevanz und Vielfalt unserer Forschungsregion einem breiten Publikum zugänglich machen. Die Lesungen, Diskussionen, Vorträge oder Filmvorführungen finden während des Semesters einmal im Monat statt.

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