ZOiS Spotlight 3/2017

Der moldauische Präsident Dodon und sein russisches Vorbild

Von Nadja Douglas 29.03.2017
Präsident Dodon (mitte) bei einem Treffen mit Parlamentssprecher Adrian Candu (links) and Premierminister Pavel Filip (rechts). Präsidentschaft der Republik Moldau

Die Republik Moldau ist derzeit nicht nur politisch, sondern auch geostrategisch tief gespalten. Das wird vor allem bei der Staatsführung deutlich: Es stehen sich eine proeuropäische, liberale, aber ziemlich diskreditierte Regierung sowie ein prorussischer, konservativer, aber etwas undurchsichtiger Präsident gegenüber. Während einige Experten zunächst von einer moldauischen Form der “Kohabitation” sprachen, wird zumindest in der Region mittlerweile von einer doppelköpfigen Führung gesprochen.

Präsident Igor Dodon wurde im Dezember 2016 in direkter Wahl als Folge einer vom moldauischen Verfassungsgericht rückgängig gemachten Verfassungsänderung gewählt. Die Regierung war zu direkten Präsidentschaftswahlen zurückgekehrt, nachdem der Staatspräsident zwischen 2000 und 2016 vom Parlament gewählt worden war.

Bereits als Präsidentschaftskandidat der Sozialisten hatte Dodon angekündigt, eine Reihe von russlandfreundlichen Initiativen in die Wege zu leiten. Dazu zählte etwa die Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung mit der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAES), einem Zusammenschluss der Staaten Russland, Weißrussland, Kasachstan, Armenien und Kirgistan, der vornehmlich dem Freihandel dient. Dodons politische Agenda ist weniger eindeutig. Vorgeblich verfolgt er einen ausgewogenen Kurs, der gute Beziehungen zu allen Seiten verspricht. So erklärte Dodon kürzlich, dass eine mögliche Kooperation zwischen Moldau und der EAES keineswegs die Umsetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Moldau gefährden würde. “Moldau kann nur dann überleben, wenn wir weder proeuropäische, noch prorussische Politiker und Regierungen haben, sondern promoldauische“, betonte der Präsident in einem Interview für die Deutsche Welle nach seinem Antrittsbesuch in Brüssel.

Dennoch galt sein erster Staatsbesuch Moskau – der Webseite des Präsidenten zufolge war es der erste Besuch eines moldauischen Präsidenten in Russland seit neun Jahren. Dodon versicherte seinen russischen Gesprächspartnern, dass Moldau das Assoziierungsabkommen mit der EU aufkündigen würde, sollte die Partei der Sozialisten (PSRM) wieder die Parlamentsmehrheit erlangen. Sein Hauptargument: Moldau hat den russischen Markt verloren, während das Exportvolumen mit der EU ebenfalls gesunken ist (hierbei verschwieg Dodon jedoch, dass die EU über Jahre hinweg hunderte Millionen Euro in die Entwicklung der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung des Landes investiert hat).

Bezeichnend für die Prioritäten des neuen Präsidenten ist jedoch nicht nur seine politische Agenda. Auch sein Auftreten und die von ihm geschaffenen neuen Institutionen lassen erahnen, dass Putins Russland Pate gestanden hat. Dodon ist entschlossen, die präsidialen Befugnisse auszuweiten und begründet dies damit, dass es dem Volkswillen entspräche. So stellte er am 27. Februar 2017 eine Gesetzesinitiative vor, die das erklärte Ziel hat, Art. 85 der Moldauischen Verfassung zu ändern: Demnach soll der Präsident künftig das Recht haben, das Parlament aufzulösen, sollte es sich weigern, das Ergebnis eines Referendums umzusetzen.

Dodon plant diesbezüglich die baldige Abhaltung von zwei Referenden: Zum einen soll vorgeschlagen werden, das Mandat des Präsidenten auszuweiten, so dass eine Auflösung des Parlaments durch ihn legitim wird; zum anderen soll das Volk darüber entscheiden, ob das von der Regierung 2016 eingebrachte Gesetz über die Rückzahlung der aus dem Bankensystem “gestohlenen Milliarde” durch die Bevölkerung gekippt werden soll (Moldau wurde 2014 Opfer eines großangelegten Bankbetrugs, im Rahmen dessen eine Milliarde Dollar – ca. zwölf Prozent des Bruttoinlandprodukts – aus dem nationalen Banksystem verschwand).

Obwohl Moldau nach wie vor eine parlamentarische Demokratie ist und die Befugnisse des Präsidenten damit beschränkt sind, lassen die Auftritte und die Medienpräsenz des Präsidenten erahnen, wie wenig Interesse er an einer klaren Aufteilung der Kompetenzen hat.

Auch die Einführung eines Zivilgesellschaftsrats scheint klar vom russischen Beispiel inspiriert zu sein. Ende Januar 2017 gab die Präsidialverwaltung bekannt, dass ein neues beratendes Gremium den Dialog und den Austausch von Ideen und Expertise zwischen dem Präsidenten und der Zivilgesellschaft fördern solle. Dodon betont in diesem Zusammenhang verstärkt seine Nähe zur Bevölkerung (Ende Februar führte er eine monatliche Pressekonferenz sowie eine Sprechstunde für Bürger ein, die sich mit Fragen, Sorgen oder Beschwerden an den Präsidenten wenden können).

Im Hinblick auf den Transnistrien-Konflikt hatte Dodon zunächst angedeutet, dass er eine föderale Lösung bevorzugen würde, eine Variante, die traditionell, unter Betonung spezieller Vetorechte für Transnistrien, auch von Russland befürwortet wird. Seit kurzem scheint er jedoch von der Erwähnung des Wortes „Föderalisierung“ abzurücken. Ein Grund dafür könnte sein, dass die „Transnistrische Frage“ eines der wenigen Themen darstellt, bei dem Präsident und Regierung (die jegliche föderale Lösung ablehnt) eine gemeinsame Position vertreten.

In einem Punkt sind Dodons Vorstellungen jedenfalls nicht im Einklang mit der politischen Strategie Russlands: Er lehnt die Präsenz ausländischer Truppen auf moldauischem Territorium entschieden ab. Grund dafür ist seine strikte Haltung in Bezug auf Moldaus Neutralität, die in der Verfassung festgeschrieben ist. So ist Dodon auch gegen die Eröffnung eines NATO-Verbindungsbüros in Chisinau, wie im November 2016 zwischen dem moldauischen Ministerpräsidenten Pavel Filip und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel vereinbart wurde. Die Entlassung des Verteidigungsministers und Parteimitglieds der Liberalen Partei, Anatol Salaru, der als vehementer Vertreter einer NATO-Annäherung galt, war somit ein logischer Schritt aus Sicht Dodons.

Es gibt auch weiterhin viel Potenzial für Konflikt. Im Januar entschied das Verfassungsgericht, das von Vertretern der Liberalen Partei angerufen worden war, dass der Präsident höchstens ein Mal gegen einen Vorschlag des Ministerpräsidenten für einen Ministerposten Veto einlegen darf. Damit bekräftigte das Gericht die vorrangige Stellung der Regierung gegenüber dem Präsidenten. Dodon kündigte bereits an, diese Entscheidung nicht anerkennen zu wollen, da sie „den Willen des Volkes zurückweisen“ würde.


Nadja Douglas ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZOiS.