ZOiS Spotlight 18/2017

Die G20 und Osteuropa: mehr als ein Handschlag?

Von Gwendolyn Sasse 12.07.2017
Der russische Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump während ihres Treffens am Rande des G20-Gipfels in Hamburg. Pressestelle des russischen Präsidenten

Über das Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 7. Juli 2017 in Hamburg wurde viel geschrieben. Die Interpretation des Aufeinandertreffens als ein Sieg Putins, Spekulationen über die zwischenmenschliche Chemie der beiden Männer, und die vielen Versuche, Körpersprache und Handschläge während der Begegnung zu deuten, bestätigen eins: Es ist gut, dass das Treffen vorbei ist. An die Stelle des monatelangen gespannten Wartens tritt nun die Erkenntnis, dass die amerikanisch-russischen Beziehungen im Grundsatz nach wie vor nicht definiert sind.

Während des bilateralen Treffens wurde offenbar eine lange Liste von Themen angesprochen. Abgesehen von einem konkreten Plan für einen teilweisen Waffenstillstand in Syrien, dessen Parameter noch unklar sind, und dem generellen Einvernehmen darüber, Kommunikationskanäle zu einer Reihe von Themen, darunter Cyber, zu schaffen, hat sich jedoch nichts Handfestes ergeben. Die Tatsache, dass das Treffen viel länger als geplant dauerte, ist nicht einfach ein Zeichen dafür, dass die beiden Präsidenten viel zu besprechen hatten, wie Kommentatoren nahelegten. Die bilateralen Beratungen fanden bequemerweise statt, während die anderen G20-Staatsoberhäupter über den Pariser Klimavertrag diskutierten, dem Trump zuvor eine Absage erteilt hatte. Trump und Putin lenkten die Aufmerksamkeit von diesen Gesprächen ab und unterstrichen die von beiden geteilte Skepsis in Bezug auf Multilateralismus im Allgemeinen.

Die Erwartungen an den G20-Gipfel waren unrealistisch hoch, etwa was informelle Gespräche über die Ukraine betraf. Jedoch fanden vor und nach dem Gipfel drei zum Teil bewusst terminierte Entwicklungen statt, deren Bedeutung für die Beziehungen zwischen dem so genannten Westen und Russland sowie auf den Krieg in der Ukraine größer ist, als der Gipfel selbst.

Erstens hat die US-Regierung unmittelbar vor dem G20-Gipfel die Ernennung eines US-Sondergesandten für die Ukraine angekündigt, der die Verhandlungen für eine Lösung des Konflikts voranbringen soll. Kurt Volker, ein Karrierediplomat, Vertrauter von Senator John McCain und ehemaliger ständiger Vertreter bei der NATO, wurde auf diesen Posten berufen. Volker begab sich unmittelbar am 9. Juli auf seine erste Reise in die Ukraine, wo er neben US-Außenminister Rex Tillerson auftrat, der von Hamburg aus nach Kiew gereist war.

In Kiew bestätigte Tillerson das US-amerikanische Bekenntnis zur Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine sowie zu den Sanktionen gegen Russland, die nach der Krim-Annexion und dem Kriegsausbruch im Donbass verhängt wurden. Für den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, der sein Augenmerk ohnehin auf eine klarere Haltung der USA gegenüber der Ukraine gerichtet hatte, kam Volkers Ernennung und Präsenz in Kiew als eine persönliche Bestätigung.. Damit gewinnt er Zeit in einer innenpolitischen Lage, die durch einen feststeckenden Reformprozess und den andauernden Krieg im Osten des Landes gekennzeichnet ist. Tillerson betonte, dass der US-Sondergesandte sein Handeln eng mit dem Normandie-Format abstimmen würde, das die Staatsoberhäupter Frankreichs, Deutschlands, Russlands und der Ukraine zusammenbringt, und dem ausführlicheren Minsk-Prozess, der die Umsetzung der Minsker Abkommen unterstützen soll. Wie diese Kooperation in der Praxis funktionieren wird, bleibt abzuwarten. Tillerson teilte der Presse in Kiew mit, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Wladimir Putin in Hamburg über eine telefonische Fortsetzung des Normandie-Formats im Juli gesprochen hatten, auf das noch im Sommer ein persönliches Treffen folgen könnte.

Mit der Beschreibung der Aufgaben des Sondergesandten verbreitete der US-Außenminister die vertraute Floskel von einer “vollständigen Umsetzung” des Minsker Abkommens, um die Rolle des neuen Gesandten zu beschreiben. Aus den Gesprächen zwischen Merkel, Macron und Putin am Rande des Gipfels war dagegen von einer „umfassenden“ Umsetzung des Abkommens die Rede, was auf eine Anpassung in der Formulierung und vielleicht auch im Inhalt schließen lässt. Bis vor Kurzem noch wurde eine größere Beteiligung der USA in den Verhandlungen mit Skepsis gesehen, nicht nur von Russland, sondern auch von Deutschland und Frankreich, als den zentralen Normandie-Verhandlungspartnern. Die Handlungsspielräume für den kürzlich ernannten Sondergesandten könnten sich als ziemlich begrenzt erweisen, wie die Erfahrung im Fall von Victoria Nuland, der ehemaligen Sondergesandten der früheren Obama-Regierung in der Ukraine, gezeigt hat. Kurzfristig könnte ein engagierter US-Ukraine-Beauftragter jedoch eine neue institutionelle und persönliche Dynamik in den Prozess einbringen, was dringend nötig ist.

Volker ist natürlich kein gänzlich Unbekannter. Seine engen Verbindungen zur NATO und dem Russland-Hardliner John McCain gefallen der aktuellen ukrainischen Regierung, werden aber zwangsläufig auf anhaltende Kritik aus Moskau stoßen. Präsident Poroschenko nutzte sofort die Gelegenheit, einen Plan zu entwerfen, wie die Ukraine bis 2020 die Voraussetzungen für eine NATO-Partnerschaft erfüllt. Anlass war der Besuch eines weiteren hochrangigen Gastes, NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der kurz nach dem G20-Gipfel nach Kiew reiste.

Zweitens, als die US-Regierung Polen als erste Station für Trumps Europareise im Vorfeld des G20-Gipfels auswählte, wollte sie Polen und seine Nachbarländer versichern, dass die USA der NATO weiterhin verpflichtet bleiben. Polen bot unter seiner derzeitigen rechtskonservativen Regierung die perfekte Bühne für Trumps Rhetorik vom gemeinsamen Kampf für den Erhalt der westlichen Werte, die Familie und den Patriotismus. Der Besuch diente einem doppelten Zweck: Er bescherte Trump eine sanfte Landung in Europa und glich bestehende Unsicherheiten in Bezug auf die gegenwärtige Haltung der USA zur NATO aus, während er gleichzeitig das bisher deutlichste Signal an Russland sandte, dass man dessen Bedrohung für die Sicherheit in der Region ernst nimmt. Letztlich hatte die Polenreise nur begrenzte Auswirkungen auf das Treffen zwischen Putin und Trump: Beide Präsidenten verstehen es zu gut, ihre Botschaften an unterschiedliche Adressaten zu richten.

Drittens hat die Parlamentarische Versammlung der OSZE bei ihrem jährlichen Treffen in Minsk am 9. Juli eine überraschend deutlich formulierte Ukraine-Resolution verabschiedet. Das Dokument benennt ausdrücklich den Charakter der Krim-Annexion durch Russland sowie der Intervention im Donbass und führtauch die notwendigen Konsequenzen aus. Russland enthielt sich der Abstimmung über die Resolution, aber verglichen mit anderen institutionellen Ebenen innerhalb der OSZE ist die Parlamentarische Versammlung weniger stark auf einen Konsens oder den kleinsten gemeinsamen Nenner verpflichtet. Die Resolution ist eine wichtige Erinnerung an die Grundprinzipien der OSZE.

Insgesamt waren es vor allem die Entwicklungen vor und nach dem G20-Gipfel, die neue Nuancen in die Ost-West-Beziehungen und den Prozess von Minsk eingebracht haben. Infolgedessen wird es in den kommenden Monaten zu stärkerem Engagement bei der Konfliktregulierung, insbesondere durch den neuen US-Gesandten Volker und die Normandie-Partner kommen.


Gwendolyn Sasse ist wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS).